
Bildquelle: Lilian Salathé
Nach Statistiken von Umweltorganisationen besitzen europäische Frauen im Schnitt 118 Kleidungsstücke, und kaufen pro Jahr 60 neue Stücke. Dabei werden Socken und Unterwäsche nicht mitgerechnet. Von den neu gekauften Kleidern werden 40 Prozent oft nicht oder nur zwei bis viermal getragen und teils schon nach weniger als einem Jahr aussortiert. So fallen pro Jahr 6.3 kg Altkleider pro Person an. Dementsprechend ist die Kleiderindustrie mit vielen Belastungen für die Umwelt verbunden. Solche Zahlen und weitere Recherchen zu Themen wie Nachhaltigkeit und Fair Fashion haben die Mitgründerin Debora Alder-Gasser dazu bewogen, zu einem nachhaltigeren Konsum von Kleidung beitragen zu wollen. Die Idee, ein Unternehmen zu gründen, bei dem eine grosse Auswahl an Frauenmode gemietet werden kann, entstand schliesslich in der Familie. Ein Vorbild für das Geschäftsmodell war die Kleiderei in Köln, die ebenfalls ein grosses Sortiment an Mode ausleiht. Bald war das fünfköpfige Gründungsteam gefunden und nach einem Crowdfunding gründete das Team dann Teil.
Wie funktioniert Teil?
Wichtiges Prinzip von Teil ist laut Alder-Gasser, mit dem Sortiment und den Abos viel Flexibilität zu bieten, um die Hürden bei der Nutzung möglichst gering zu halten. Entsprechend breit ist das Sortiment: Es reicht etwa von T-Shirts, Pullover und Hosen bis hin zu Blazer. Genauso gibt es Accessoires und Schuhe. Kundinnen, die bei Teil auch Teilerinnen heissen, können alle Stück vor Ort im Laden in Bern anschauen und anprobieren. Es ist möglich, die Abos mit einer Kreditkarte direkt im Laden oder über die Homepage zu lösen. Derzeit bietet Teil drei Arten von Abos an. Das Günstigste namens Abo One kostet 19 CHF pro Monat, dabei kann die Kundschaft ein Kleidungsstück aufs Mal beziehen. Mit dem Abo Basic sind es drei Stücke, es kostet 39 CHF pro Monat. Sechs Stücke sind es mit dem Abo Extended für 59 CHF pro Monat. Bei den beiden teureren Abos gibt es Rabatte für Studentinnen.
Die Teilerinnen können die gemieteten Kleidungsstücke jederzeit austauschen und müssen sie nicht für eine bestimmte Dauer behalten. Das dient laut Alder-Gasser auch dazu, aufzuzeigen, dass Stil, Abwechslung und Nachhaltigkeit sich nicht gegenseitig ausschliessen müssen. So ist es bei Teil etwa möglich, zwischen verschiedenen saisonalen Farben nach Bedarf zu wechseln. Auch in der Handhabung der Abos gibt es Spielraum. Brauchen Teilerinnen mehr Kleidungsstücke, können sie jederzeit auf ein grösseres Abo wechseln. Ebenso ist jederzeit der Wechsel auf ein kleineres Abo möglich. Das Abo läuft automatisch so lange weiter, wie die Kundin Kleidungsstücke bei sich hat.
Erfahrungen zeigen, dass das Mieten von Kleidung einen Effekt auf die Beziehung von Teilerinnen zum Kleiderkonsum haben kann. Eine überzeugte Teilerin erzählt im Laden, dass das Mieten von Kleidung bei Teil sie angeregt hat, über ihren Bezug zur Kleidung nachzudenken. Seit sie bei Teil Kleider mietet, kauft sie weniger Kleider neu. Sie kauft seither kaum mehr Fast Fashion und mehr nachhaltige Mode. Zu Teil kommt sie je nach Bedarf, um Kleidungsstücken in saisonalen Farben zu mieten.
Die Hintergründe von Teil
Seit der Gründung im Jahr 2020 wird Teil als Pop-up-Store betrieben. Das heisst, das Unternehmen hat bisher keinen festen Standort, sondern mietet jeweils temporär leerstehende Geschäftsräume für eine limitierte Zeitdauer. Der aktuelle Standort an der Marktgasse 46 in Bern ist bereits der dritte. Das stetige Umziehen bringt Umstände mit sich, das Mieten von Pop-up-Standorten hat umgekehrt aber den Vorteil, gemessen an den verfügbaren Finanzen kostengünstige zentrale Standorte finden zu können. Die gute Erreichbarkeit sei ein weiteres Element, um die Hürden für Kundinnen so gering wie möglich zu halten, sagt Alder-Gasser.
Die meisten Kleider bekommt das Start Up über Spenden, zur Ergänzung kauft Teil in seltenen Fällen selber Kleidungsstücke ein. Dabei sind verschiedene Faktoren wichtig. Einerseits sollte die Produktion möglichst nachhaltig sein. Andererseits ist für Teil auch das Geschäftsmodell der Kleiderproduzenten von zentraler Bedeutung. So kauft Teil bevorzugt von Unternehmen, die sich auf wenige Kollektionen pro Jahr beschränken und sich so gegen den Überkonsum engagieren. Auch kooperiert Teil gerne mit Schweizer Designerinnen, wie Tabitha Wermuth oder Pfeffer Verbeek. Für die gespendeten Kleider sind die Kriterien dagegen lockerer. Wichtig ist aber auch hier, dass ein guter Qualitätsstandard eingehalten wird, was bei Ultra Fast Fashion nicht der Fall ist. Von Ultra Fast Fashion wird gesprochen, wenn Unternehmen möglichst billig möglichst grosse Mengen von Kleidung produzieren. Ein Beispiel ist das Unternehmen Shein, welches laut Recherchen des Spiegel» täglich 1000 neue Produkte auf den Markt bringt. Durch die billige Produktion ist oft auch die Qualität so schlecht, dass die Produkte kaum mehr als einige wenige Male getragen werden können. Entsprechend werden bei Teil solche und ähnliche Produkte nicht ins Sortiment genommen.
Die «Teil-Community
Auch wenn das Abo-Modell von «Teil kommerzieller Natur ist, hat es einen Communityaspekt. So sind die hinter der Kleidervermietung stehenden Geschichten oft sehr spannend. Derzeit läuft eine Kampagne auf Social Media, in der Spenderinnen Kleidungsstücke vorstellen. Das gibt neben Nutzungsmöglichkeiten, auch Einblick in Geschichte und Herkunft der Stücke. Auch gibt es manchmal Events. Diese Communityaspekte möchte Teil» in Zukunft noch mehr nutzen.
Generell ist es laut Alder-Gasser für Teil wichtig, kontinuierlich Neues auszuprobieren. Das Unternehmen wird gelegentlich auf ein Männersortiment angesprochen. Demnach führt Teil inzwischen testweise ein kleines Sortiment in diesem Bereich.Am aktuellen Standort gibt es zudem einige kleinere Store- in- Store- Konzepte. Dabei können derzeit vier Geschäftspartner:innen von Teil ihre Produkte ausstellen und im Laden verkaufen. Darüber hinaus wäre es laut Alder-Gasser mittelfristig spannend, irgendwann zusätzliche Standorte erschliessen zu können.